Sicherheitsverbund Schweiz: das GCSP unterzeichnet eine Vereinbarung mit dem Schweizerischen Polizei-Institut

Sicherheitsverbund Schweiz: das GCSP unterzeichnet eine Vereinbarung mit dem Schweizerischen Polizei-Institut

By Maj Gen Roland Favre, Senior Advisor to the Director, Geneva Centre for Security Policy

Überall auf der Welt stehen Sicherheitsakteure in zunehmend globalisierten und urbanisierten Gesellschaften vor neuen Herausforderungen. Angesichts einer immer breiteren Palette von Bedrohungen und in einem technologischen Kontext, der sich in rasantem Tempo weiterentwickelt, gilt es zu verstehen, was auf dem Spiel steht, den Überblick zu behalten und vernetzt zu handeln. Weiterbildung ist mehr denn je unerlässlich, um mit den Erwartungen Schritt zu halten.

Die Schweiz bildet keine Ausnahme von dieser Entwicklung. Ob aus dem öffentlichen oder privaten Sektor, die Sicherheitsakteure in diesem Land müssen ihre Sichtweise erweitern, die Sicherheit über ihren alltäglichen Horizont hinaus verstehen. Denn Sicherheit ist mehrdimensional und basiert auf Risiken, die vielschichtig sind und sich in Raum und Zeit verändern.

Für jeden Akteur geht es darum, die Organisation der inneren Sicherheit des Landes sowie die Rolle der Schlüsselakteure zu kennen, ihre Führungs- und Funktionsmechanismen in ausserordentlichen Lagen und Krisensituationen zu meistern, und schliesslich die Interaktionen zwischen den verschiedenen Krisenorganisationen zu verstehen. Darüber hinaus ist es nicht unbedeutend, das persönliche Beziehungsnetz im Sinne des Mottos "In Krisen Köpfe Kennen" zu erweitern.

Seit Anfang 2020 bietet das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) in Zusammenarbeit mit dem Delegierten des Bundes und der Kantone für den Sicherheitsverbund Schweiz (Delegierter SVS) Lehrgänge für Führungskräfte des SVS an, sei es aus dem öffentlichen oder privaten Sektor.
In Anbetracht des Erfolgs dieser Kurse und anderer zum Ausdruck gebrachter Bedürfnisse werden ab 2021 weitere Lehrgänge angeboten. Um ihre Basis und Repräsentativität im Land zu stärken, beschloss die Projektleitung, sich durch eine Kooperationsvereinbarung mit einem dritten Partner, dem Schweizerischen Polizei-Institut (SPI), zusammenzuschließen.

Die Vereinbarung, die am 1. Januar 2021 in Kraft treten wird, wurde Ende Oktober 2020 von den Vertretern der drei Vertragsparteien unterzeichnet:
- Herr Botschafter Christian Dussey, Direktor GCSP ;
- Herr André Duvillard, Delegierter SVS ;
- und Herr Dr. Stefan Blättler, Präsident des Stiftungsrates SPI.

Durssey

Fragen an den ehemaligen GCSP Direktor, Botschafter Christian Dussey

  • Als international anerkanntes Weiterbildungszentrum, soll das GCSP auch als eine Plattform für Reflexion und Dialog über die wichtigsten aktuellen sicherheitspolitischen Themen der Schweiz fungieren. Weshalb haben Sie in diesem Kontext beschlossen, Lehrgänge für das höchste Kader der inneren Sicherheit in der Schweiz anzubieten? Ist es die Aufgabe des GCSP, ein Akteur auf dem Gebiet der Weiterbildung in unserem Land zu werden?

Das GCSP wurde 1995 auf Initiative von Alt Bundesrat Adolf Ogi gegründet. Als Beitrag der Schweiz zu Frieden und Sicherheit stellt das Zentrum seit 25 Jahren Entscheidungsträgern in aller Welt die Instrumente zur Verfügung, die sie benötigen, um die Komplexität strategischer und internationaler Fragen besser zu verstehen und zu bewältigen. Das GCSP wurde auf der Grundlage eines inzwischen denkwürdigen Ausbildungskurses namens "SIPOLEX" gegründet. Dieses unmittelbar nach dem Genfer Gipfel von 1985, dem ersten Treffen zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow, ins Leben gerufene 8-monatige Ausbildungsprogramm sollte die Kompetenzen des EMD (heute VBS) und des EDA in den Bereichen Abrüstung und internationale Sicherheit rasch fördern. Es ist daher nur natürlich, dass das GCSP zu seinen Wurzeln zurückkehrt und seine Zusammenarbeit mit den Sicherheitsakteuren in der Schweiz verstärkt. Die zunehmenden Unsicherheiten und die Verwundbarkeit der Gesellschaft gegenüber aktuellen und potenziellen Risiken und Bedrohungen (Pandemien, Cyberangriffe, Terroranschläge usw.) zwingen uns, die Fähigkeiten für Antizipation, Flexibilität und Resilienz im Inland umgehend zu stärken.

  • Was erwarten Sie von diesen Lehrgängen? Welches sind die Zielgruppen, die Sie mit diesem Ausbildungsangebot erreichen wollen?

In erster Linie müssen wir aus den "Silos" herauskommen. Sicherheitsbelange in diesem Land betreffen nicht nur die öffentliche Hand sowie die mit ihr verbundenen Organisationen und Akteure, sondern der Privatsektor übernimmt ebenfalls wichtige Sicherheitsaufgaben. Diese werden manchmal übersehen, oft unterschätzt und sind dennoch von wesentlicher Bedeutung für die Kohärenz der Sicherheitsarchitektur der Schweiz. Diese Lehrgänge, die sich an Führungskräfte richten, bieten jeder und jedem die Möglichkeit, die Kenntnisse im Sicherheitsbereich weiter zu vertiefen, aber auch das persönliche Beziehungsnetz in einem Land zu erweitern, in dem sich die Sicherheitsakteure noch zu wenig kennen und miteinander sprechen.

  • Welchen Mehrwert bringt diese Kooperationsvereinbarung mit dem Schweizerischen Polizei-Institut für das GCSP im Allgemeinen und für diese Lehrgänge im Besonderen?

Diese Vereinbarung schafft eine direkte Verbindung zu einem wichtigen Akteur im Bereich der inneren Sicherheit des Landes, der POLIZEI. Durch die Zusammenarbeit werden neue Kontakte geknüpft, einen verstärkten Austausch sowie den Zugang zu wertvoller Expertise und Wissen für das GCSP ermöglicht. Sie wird auch dazu beitragen, das GCSP innerhalb der Landesgrenzen, insbesondere in der Deutschschweiz, besser bekannt zu machen und sich dort durch die Organisation bestimmter Events oder ganzer Kursmodule zu etablieren. Diese Partnerschaft wird eine Bereicherung für unsere Lehrgänge sein und zugleich sicherstellen, dass eine angemessene Vertretung des Polizeikaders an der Weiterbildung teilnehmen wird.

duvillard

Fragen an den Delegierten des Bundes und der Kantone für den Sicherheitsverbund Schweiz, Herr André Duvillard

  • Währenddem es im Bereich Sicherheit in der Schweiz bereits ein breites Angebot an Weiterbildungskursen gibt, warum haben Sie sich diesem neuen Ausbildungsangebot angeschlossen? Welchen Bedarf deckt es ab?

Es stimmt, dass die verschiedenen Sicherheitsorganisationen eine breite Palette von Ausbildungskursen anbieten, sei es im technischen, taktischen oder sogar in der Bewältigung bestimmter Ereignisse. Aber die heutigen Sicherheitsfragen müssen vernetzt angegangen werden, was bedeutet, dass Führungskräfte des Sicherheitsverbunds mit der Rolle und den Fähigkeiten der verschiedenen Organisationen, aus denen er sich zusammensetzt, vertraut sein müssen. Der beste Weg, dieses Ziel zu erreichen, besteht natürlich darin, diese Art von Ausbildung unter einem Dach zusammenzuführen, so dass der ganzheitliche Ansatz nicht nur in Bezug auf den Inhalt der Ausbildung, sondern auch bei den Teilnehmern Wirklichkeit wird.

  • Sind Ihrer Meinung nach die festgestellten Mängel bzw der Handlungsbedarf in erster Linie auf eine mangelnde Ausbildung oder vielmehr auf eine mangelnde Vernetzung der Sicherheitsakteure in der Schweiz zurückzuführen?

Meiner Ansicht nach sind die festgestellten Mängel in erster Linie das Ergebnis einer mangelnden Vernetzung. Während viele Länder bereits einen solchen Ansatz gewählt haben, hat die Schweiz lange Zeit einen "Silo"-Ansatz favorisiert, was sicherlich auch auf unsere föderalistischen Strukturen und auf die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung (Trennung zwischen Bund und Kantonen) zurückzuführen ist. Das Konzept des Sicherheitsverbunds wurde im Sicherheitspolitischen Bericht 2010 konkretisiert, und es ist nur konsequent logisch, dass es auch im Bereich der Ausbildung umgesetzt wird sollte, auch wenn dies erst neun Jahre später geschieht.

  • Welche Trümpfe bzw. Stärken hat das GCSP, um zur Effizienz des Sicherheitsverbundes Schweiz (SVS) beizutragen? Wie könnte das GCSP diese Stärken in Zukunft zum Wohle der inneren Sicherheit der Schweiz noch besser nutzen?

Das GCSP wurde vor 25 Jahren auf Initiative der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegründet und organisiert Ausbildungskurse im Bereich der internationalen Friedens- und Sicherheitspolitik. Im Ergebnis bringt es eine Vision von Themen mit sich, die über die Grenzen unseres Landes hinausgehen. Diese Aspekte sind auch wichtig, wenn wir uns mit Fragen der inneren Sicherheit befassen. Ich würde sogar sagen, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Die Krise, die wir gerade durchmachen, ist das beste Beispiel dafür. Die Grenze zwischen innerer und äusserer Sicherheit ist in einer globalisierten Welt extrem verwischt. Daher ist die formalisierte Zusammenarbeit zwischen diesen drei Entitäten - des GCSP, dem SVS und dem SPI - ein perfektes Beispiel für den vernetzten Ansatz, den wir verfolgen müssen, um den heutigen Sicherheitsherausforderungen zu begegnen.

 

Blattler

Fragen an den Präsidenten des Stiftungsrates des Schweizerischen Polizei-Instituts, Herr Dr. Stefan Blättler

  • Was erwarten Sie von diesen Weiterbildungskursen für das höchste Polizeikader des Landes?

Unsere höheren Polizeikader verfügen über ausgezeichnete Fähigkeiten und mehrjährige Einsatzerfahrung. Das föderale System der Schweiz mit seinen verteilten Verantwortlichkeiten und Kompetenzen ist jedoch komplex und die Strukturen teilweise kompliziert. Mit dem Weiterbildungsangebot des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik wird der globale und interdisziplinäre Ansatz für Sicherheitsfragen in der Schweiz um wichtige Elemente erweitert. Die Führung und die Funktionsweise unseres Landes im Krisenfall zu kennen, ist elementar, um die Interaktionen zwischen den verschiedenen Krisenmanagementorganen des öffentlichen und privaten Sektors zu verstehen. Von der Erweiterung und Vertiefung dieser Kenntnisse profitieren wiederum die Polizeikorps.

  • Welche konkreten Zielsetzungen verfolgen Sie durch diese Vereinbarung, welches sind Ihre Erwartungen an das GCSP?

Der Aufbau und die Weiterentwicklung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Netzwerken sind wichtiger denn je. Wir erwarten natürlich, dass die künftigen Absolventen/-innen dieser Weiterbildungen vom gegenseitigen Austausch zwischen den Teilnehmern/-innen einerseits und von hervorragenden Dozierenden andererseits profitieren. Sie sollen befähigt werden, ihre Effektivität in der Problemerfassung und Lagebeurteilung zu steigern und sich auf die mögliche Übernahme von Entscheidungspositionen in ihren Institutionen vorzubereiten. 

Gleichzeitig erhoffen wir uns im Bereich der Wissensvermittlung, dass die neuesten Erkenntnisse über Lehr- und Lernformen auch für unser Bildungsangebot des Schweizerischen Polizei-Instituts (SPI) interessant sind und wir gegenseitig lernen können. Denn auch hier gilt das Motto «KKK: in der Krise Köpfe kennen».

  • Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten sicherheitspolitischen Herausforderungen, denen unser Land im kommenden Jahrzehnt gegenübersteht, und inwieweit kann eine solche Kooperationsvereinbarung und die angebotenen Lehrgänge dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der inneren Sicherheit der Schweiz angesichts der Vielfalt neuer Bedrohungen zu stärken?

Die Bewältigung einer Krise beginnt, lange bevor sie ausbricht. Die Vorbereitungen sind entscheidend. Welche strukturellen Stärken – aber auch Chancen und Schwächen – weist das Risiko- und Krisenmanagement der Schweiz auf? Wie können Mängel in der Vorbereitung und der Bewältigung von Krisen generell minimiert werden? Es muss uns gelingen, eine eingespielte Krisenorganisation über alle föderalen Stufen und Strukturen hinweg und mit fachlich neutralem Blick zu etablieren. Die permanente Vernetzung der Organisationen für den Krisenfall muss ausgebaut werden. Ich bin überzeugt, dass wir mit dieser Kooperation einen «Stein ins Rollen» bringen. Das Produkt «Sicherheit» verdient es, dass wir uns gerade auch in der Aus- und Weiterbildung noch besser vernetzen.

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With a Master degree in mathematics from the Swiss Federal Institute of Technology of Lausanne, Major General Favre was successively assigned as Commander of a Mountain Infantry Brigade, Chief of the Armed Forces Logistics Base and Commander of Territorial Region 1, responsible for civil-military cooperation in the western part of Switzerland. Roland Favre joined the GCSP in January 2018 as Senior Defence Advisor to the Director. He is responsible for training courses for senior officials of the Swiss Security Network.